Rückblick 2021

Das Thema 2021

Rostock und die Klimakrise – Ermutigung zu ihrer Bewältigung

Die Thematisierung, der Protest, das Werben für ein Umdenken waren und bleiben die entscheidende Voraussetzung für die nun anstehende Umsetzung der Klimaziele. Hierbei steht „global“ immer für die Summe lokale und regionaler, letztlich persönliche Einstellungs- und Verhaltensänderungen. Ohne anhaltenden massiven öffentlichen Druck wird sich ein breiter gesellschaftlicher Konsens, die Einigkeit vieler über eine Priorität von „Klimaneutralität“ nicht erreichen lassen. Es wird ihn auch weiter brauchen, für dringend nötige Entscheidungen und Maßnahmen in fast allen gesellschaftlichen Bereichen.

Was so einfach klingt, ist und bleibt das Ergebnis enormen persönlichen Engagements: zahlreicher schlaflose Nächte und geopferter Wochenenden, großer Sorge und Aufregung, ungezählter Abstimmungs- und Planungsrunden, persönlichen Muts, des immer neuen Überwindens der eigenen Grenzen. Zum ersten Mal eine Rede vor mehreren hundert Menschen? Gespräche mit frustrierten Skeptikern, oft durchzogen von aggressiven Anfeindungen? In einer Straßenblockade oder auf einer stundenlangen Protestaktion stehen, bei Minusgraden? Auch, wenn notwendig, den Normenkonflikt oder persönliche Risiken in Kauf nehmen?

Wie so oft sind auch hier große Veränderungen die Summe zahlreicher kleiner „Mutigkeiten“, jede für sich selten wahrgenommen, kaum gewertschätzt, mitunter schnell vergessen. Und doch wären wir heute nicht dort, wo wir jetzt stehen, ohne sie. Und wir kämen auch nicht weiter – weder global, noch lokal. Im ersten der beiden Jahre, die die Siegmannstiftung dem Thema „Eindämmung der Klimakrise“ widmet, richtet sie den Blick auf dieses lokale Engagement, möchte sie jene sichtbar machen und würdigen, die mit viel persönlichem Einsatz zum Umdenken beigetragen haben, das unsere Gesellschaft in den vergangenen zwei Jahren vollzogen hat. Der Prozess läuft langsam an.

Wer hat hier einen besonderen Beitrag geleistet? Welcher Rostocker Initiative ist es gelungen, sich besonders wirkungsvoll einzubringen? Wer wird auch weiter mit Geduld und Sozialkompetenz das Umdenken vieler in Rostock ermöglichen? Mit welchem Nachdruck, welcher Courage und Kreativität? Wer hat Kritik geerntet, den Dialog aber nicht frustriert abreißen lassen?

Medaillenpreisträger

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Lokales Klimaschutzbündnis „Rostock for Future“

Die Gründung von Fridays for Future Rostock, später Rostock for Future, war so etwas wie die Initialzündung für den Klimaaktivismus in der Hansestadt. Anfang 2019 war es, da fanden sich – inspiriert durch die weltweit erstarkende Bewegung – einige Rostocker Schüler*innen zusammen und organisierten den ersten großen Rostocker Klimastreik am 15. März 2019. Gemeinsam mit dem „Students“, den „Parents“ und anderen „for Future“-Gruppen formten sie „Rostock for Future“. Gemeinsam organisierte das Bündnis die großen Rostocker Klimaproteste, aber auch eine Protestaktion in einer Bürgerschaftssitzung, mit der man versucht, die Stadtvertreter zum schnellen Handeln zu bewegen: „Wir streiken, bis Ihr handelt“ stand auf dem Transparent zur Aktion. Die Aktivistinnen erarbeiteten einen Katalog von Klimaschutzmaßnahmen für Rostock, trafen sich mit SPD, Grünen, Linken, FDP, sowie den Stadtwerken, Rostock Port und Expert*innen der Universität Rostock. Sie organisierten eine Mahnwache gegen die neue Kohlemine in Australien und das erste Rostocker Klimacamp. Ohne „Rostock for Future“ wäre die Hanse- und Universitätsstadt noch nicht auf dem Weg hin zu einer greifbaren Klimaneutralität, ohne die Hartnäckigkeit, die Courage, die Zeit und Mühen viele Akteure in Stadt und Region noch nicht aufgewacht und bereit zum Handeln. Angesichts der Tatsache, dass ein Erreichen der Pariser Klimaziele sehr kurzfristig gravierende Maßnahmen braucht, kann dieser Einsatznicht genug wertgeschätzt werden – eine Würdigung mit der Siegmannmedaille könnte genau dies zum Ausdruck bringen.

Förderpreisträger

Radentscheid Rostock

Der Radentscheid Rostock hat sich im Sommer 2018 gegründet und kämpft für eine bessere Radinfrastruktur in Rostock. Das übergeordnete Ziel der Initiative ist eine Stadt, in der alle Menschen – auch Kinder und Senior*innen – sicher und entspannt Radfahren können. Der Radentscheid ist eine offene Gruppe von etwa 50 interessierten Aktiven, die sich überparteilich und unabhängig für besseren Radverkehr einsetzen. Der Radentscheid trägt dazu bei, dass Rostock auf eine nachhaltige und zukunftsweisende Mobilität setzt und sich die Lebensqualität der Bürger*innen weiter verbessert. Die Aktiven haben deshalb zehn Ziele für eine fahrradfreundliche Stadt formuliert. Deren Umsetzung soll mit einem Bürgerentscheid erreicht werden. Von April bis September 2019 haben 8366 Bürger*innen das Bürgerbegehren unterschrieben. Neben den Gesprächen und Diskussionen mit tausenden Rostocker*innen während der Unterschriftensammlung organisierte die Initiative u.a. eine Human Protected Bike Lane, einen Ride of Silence, regelmäßige Kidical Masses, temporäre (Pop-up)-Radwege.

Scientists for Future

Die Scientists for Future (S4f) Rostock sind ein regionaler Zusammenschluss von derzeit 66 Rostocker Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus allen Fakultäten der Universität und anderer Forschungseinrichtungen der Stadt. Sie sind Teil der S4F Deutschland und des internationalen Netzwerks S4F. Sie arbeiten überparteilich und überinstitutionell. Angesichts der historisch beispiellosen, globalen Klima-, Biodiversitäts- und Nachhaltigkeitskrise sehen sie sich in der Pflicht, öffentlich und proaktiv die Stimme zu erheben. Sie wollen zu sachlichen politischen Diskussionen beitragen und den Dialog fördern. Das hierfür entwickelte Aktivitätsspektrum der S4F umfasst vor allem Demonstrationen und Networking, Politikberatung, Beratung von Fridays for Future und Präsentationen auf öffentlichen Veranstaltungen. Außerdem engagiert sich S4F am Runden Tisch Nachhaltigkeit und Diversität der Uni Rostock.

Projekt „Plastikfreie Stadt“

Die Initiative setzt seit 2019 dort an, wo das Einwegplastik zunächst eingesetzt wird – in den Unternehmen! Am Anfang des Plastikfrei-Prozesses steht daher eine Plastik-Inventur: wiegen, messen und alles in das Plastikfrei-Rechentool eintragen. Spätestens jetzt ist klar, wo die größten Baustellen und Möglichkeiten zur Weichenstellung hin zu weniger Einwegplastik liegen. Und genau dort kann dann angesetzt und nach Einsparmöglichkeiten gesucht werden. Dazu stellt die “plastikfreie Stadt” dem Unternehmen einen Instrumentenkoffer mit verschiedenen Tools zur Verfügung, die für einen erfolgreichen Plastikfrei-Prozesses behilflich sind. Zusätzlich unterstützt wird das Bewerberunternehmen durch ein Partnerunternehmen aus dem Netzwerk. In regelmäßigen digitalen Sprechstunden kann außerdem jegliches Problem zur Sprache kommen und im Austausch mit Teammitgliedern der plastikfreien Stadt und anderen Bewerberunternehmen findet sich meist eine praktikable Lösung. Am Ende des Plastikfrei-Prozesses berechnet das Rechentool dann das Ergebnis der Einsparbemühungen der letzten drei Monate.